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ST.MARX FÜR ALLE!

3,5 Kilometer Luftlinie sind es vom Matzleinsdorfer Platz zur Freifläche St. Marx neben der Südostangente. Am Matzleinsdorfer Platz baut die Stadt ein U-Bahn, unklar bleibt was an der Oberfläche passiert – das bleibt ein ziemliches Rätselraten. Zu befürchten ist eine massive zusätzliche Verbauung, die Schleifung der Kleingartensiedlung und keine Reduktion des Autoverkehrs.

In St. Marx ist hingegen sehr klar, was die Stadt errichten will. Die Wien Holding plant eine Mega Event Halle am stadteigenen Grundstück. In Form einer public-private partnership. Nach längeren Hin und Her ist jetzt die CTS Eventim AG als Partner, für Bau und Betrieb auserkoren worden. Die Stadt Wien organisiert die Vorarbeiten und schießt 153 Millionen Euro zu. Die Gesamtkosten der Mega-Arena belaufen sich auf 500 Millionen.

Verschlingen wird die Halle jedoch nicht nur Unmengen an Geld, sondern vor allem auch den letzten großen Freiraum in Wien. Am Platz haben sich in den letzten Jahren autonome Strukturen und Projekte etabliert, an denen hunderte wenn nicht tausende Menschen beteiligt waren und weiterhin aktiv sind. Neben dem selbstgebauten Skatepark sind Gärten entstanden, ein Basketballplatz, Kulturinitiativen haben eigene Infrastrukturen aufgebaut und Uni-Projekte haben das Areal als Testlabor verwendet. Außerdem haben Konzerte, Zirkusse, Filmdrehs, Flöhmärkte, Theater-Aufführungen, Präsentationen oder ein Feuerwerk hier Platz gefunden – und auch als undefiniertes Naherholungsgebiet hat sich der Platz großer Beliebtheit erfreut. So einen Ort gibt es sonst nirgends in Wien.

Es ist bezeichnend für die Stadt Wien, dass solche unkontrollierbaren Experimentierfelder, wo echte demokratische Teilhabe und Stadtplanung von unten praktiziert wird als temporäre oder sogar kriminelle Störung und nicht als Grundlage (Humus) einer guten städtischen Zukunft interpretiert wird.

Hier arbeiten engagierte Leute abseits von kapitalistischer Verwertungslogiken an selbstbestimmten und beglückenden Formen des Zusammenlebens. Es braucht mehr solcher Orte. Gerade angesichts einer techno-kapitalistischen Maschinerie, an der die Menschen (und die Natur) zugrunde gehen, verzweifeln und mutlos werden und zunehmen sogar faschistische Gesellschaftsmodelle (Geschäftsmodelle) als zukunftsfähige Alternativen ansehen.

Solche Initiativen, solche Kulturen der Selbstbestimmung und nutzungsoffene Strukturen bräuchte es viel mehr – statt dessen entstanden in den letzten Jahren langweilige privatisierte oder halbprivatisierte Stadtteile ohne Leben – existierende Infrastrukturen wie die Nordbahnhalle, wilde Spielplätze oder engagierte künstlerische Projekte wie die Mo.ë, die Public Netbase oder das FEUERWERK am Matzleinsdorferplatz werden geschliffen, abgefackelt und beseitigt. Das geschieht alles nicht zufällig, sondern ist Teil der neoliberalen Konterrevolution, die uns seit den 1970er Jahren alles zusammen haut und einverleibt, was eine leiwande und lebenswerte Zukunft ausmachen könnte.

Und jetzt die WH-Arena! Wirklich? Was sagt das über die Sozialdemokratie in Wien aus?  Niemand will diese Halle, niemand braucht diese Halle. Weshalb wird sie trotzdem gebaut?

In der neoliberalen Logik, sind Städte nichts als konkurrierende Unternehmen (Stichwort: “Lebenswerteste Stadt der Welt”) – um in diesem Wettstreit mithalten zu können, brauche es eine solche Arena. Was das bedeutet ist klar: Sauteure Tickets, megalomanische Events, mehr Touristen und mehr Flugverkehr. Das sind die logischen Konsequenzen.

Das braucht die Stadt? Das will die SPÖ? Wer braucht die Halle? Ulli Sima, Peter Hanke und Michael Ludwig? Die Projektbetreiber und  die Stadt-Wien gehen sogar so weit, diese Arena aus Beton, Stahl und Energieverschleuderung selbst noch als nachhaltiges Leuchtturmprojekt zu preisen. “Nachhaltigkeit, Ökologie und Klimaschutz sind wesentliche Aspekte für die Errichtung und den Betrieb der Arena.”  Es werde ein “Klimaaktiv Goldstandard” angestrebt.

Sowohl am Matzleinsdorfer Platz, also auch in St. Marx könnte die Stadt mit sehr niedrigen Mitteln enorm weitreichende soziale, kulturpolitische oder klimapolitische Zeichen setzen. Die Grundstücke gehören der Stadt, die hunderten Millionen welche in die Halle fließen und die Milliarden die in den Bau der U-Bahn fließen sind Steuergeld – was fehlt ist der politische Wille. Das Paradigma der Profitmaximierung und des Eigensinns müsste abgelöst werden. Als oberstes Prinzip aller Entscheidungen müsste das demokratische Gemeinwesen und die Klimagerechtigkeit heran gezogen werden.

Die Arena ist verheerend. Wenn die Wien Holding und die Stadt Wien nicht gestoppt werden, dann gehen im Jahr 2025 im Zuge der “vorbereitenden Maßnahmen” umfangreiche autonome Initiativen zugrunde. Hier haben engagierte Personen abertausende Stunden in kleinräumige Transporte, kleinteilige Bauten und in die nachhaltige Kultivierung und Öffnung von versiegelten Brachen und in die Etablierung einer guten Nachbarschaft gesteckt – niemand, kein Konzern, kein Architekturbüro, kein Magistrat und kein gut bezahlter Wien-Holding-Manager soll glauben, dass dies spurlos und ohne Widerstand zur Seite geräumt werden kann.

Paradoxerweise glaubt die Stadt, dass solche Landmarks für die kommende Wien-Wahl notwendig seien. Sie irrt. Nächstes Jahr feiert die Stadt ein Demokratiejahr. Zeigen wir der Stadt, dass wir Stadtgeschichte ernst nehmen und mit der Arena einen kämperischen Bezugspunkt haben, an den wir gerne anknüpfen. Sie werden uns hören. Noch in der letzten Zwischennutzungsagentur. Es reicht. Kämpfen wir gemeinsam für autonome Freiräume und für eine lebenswerte Zukunft jenseits kapitalistischer Zerstörungswut.

Friede den Hütten. Nieder mit der Eventhalle.