..:: Chaos & Profit ::..
Auf Seite 19 des Wochenende-Standard vom 26./27. März 2022: Eine ganze Seite Interview mit Burkhard Ernst und Gabriela Lemberger, Eigentümer der Rainer-Gruppe. Über Benzinpreis, E-Autos und Immobilien.
Bekanntlich liegt der Grundstein des privaten Familienvermögens der “Mazda-Rainer” – Dynastie im Verkauf von Autos. Burkhard Ernst beklagte gerne die “Diskriminierung” der Autofahrer: “Die Autofahrer sind die Melkkühe der Nation, die sich täglich Staus und Diskriminierungen ausgesetzt sehen.” (schau, Dezember 2016) Der Ton hat sich der Zeit angepasst. Heute spricht er davon, dass die E-Autos die Gefahr von Blackouts erhöhen.
Die Geschwister Gabriela Lemberger und Burkhard Ernst beklagen im selben Interview wortreich die “ausufernde Bürokratie” in Hinsicht auf Corona-Hilfen, Autohandel und Immobilienwirtschaft. “Die westliche Welt administriert sich zu Tode”, so Lemberger. Sie zeichnen das Bild von einem bürokratischen Chaos.
Der Standard stellt keine unbequemen Fragen, hat keine Zahlen parat. Das abgedruckte Interview kommt allemal sehr handzahm daher und hat eher den Charakter einer Werbeeinschaltung. Ein zweiter Blick, eine kleine Recherche oder kurzes Innehalten ergibt ein anderes Bild.
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Die Klage über bürokratische Hürden relativiert sich rasch, wenn man sich die Covid-Beihilfen für die Rainer Hotel-Management GmbH und Rainer Kraftfahrzeughandels GmbH (veröffentlicht auf kontrast.at) anschaut: insgesamt erhielten die beiden Firmen vom Staat Zuschüsse in der Höhe von mindestens 2.558.713 Euro, also unglaubliche 2,5 Millionen Euro an staatlicher Hilfen (ohne den Zahlungen für Kurzarbeit!). Worin besteht das angesprochene bürokratische Chaos? Eine Firma dieser Dimension unterhält normalerweise gute Anwälte und Angestellte, die solche bürokratischen Anträge erledigen. Die Covid-Beihilfen zeichnen sich eher durch Intransparenz denn durch Chaos aus.
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An anderer Stelle beklagt Burkhard Ernst die “bürokratischen Zwischenschritte” beim Bau von Immobilien. Ohne konkret zu werden spricht er von einer “großen Immobilie in Favoriten” an der sie bereits “seit zwölf Jahren” arbeiten würden. “80 Prozent der Zeit haben wir gewartet.”
Spricht er hier möglicherweise vom “Baufeld 1A”, dem einstigen Grundstück der Stadt Wien, wo die Rainer-Gruppe ein Hotel und Wohnbauten errichten möchte? In diesem Fall wäre recht klar, was der Unternehmer mit “Bürokratie” in Wirklichkeit meint: nämlich Demokratie und demokratische Mitbestimmung und ein öffentliches Interesse an der Stadtentwicklung und Stadtplanung. Wie bereits mehrfach beschrieben hat das Grundstück am Matzleinsdorfer Platz (wer braucht da noch mehr Beton, Hotels oder Bürobauten?!) eine relativ neue Widmung, in der jedoch ein Wohnbau ausgeschlossen ist und nur eine Bauhöhe von 12 Meter erlaubt ist. Es ist anzunehmen, dass die Stadt Wien das Grudstück damals um einen sehr geringen Betrag veräußert hat. Die Rainer-Gruppe will dort 35-Meter Gewerbe und Wohnbauten errichten. Der erforderliche Mehrwert für die Bevölkerung, Grünraum, etc. soll durch das benachbarten ÖBB-Grundstück “Baufeld 1” abgedeckt werden. (vgl.: Leitlinien der Stadt Wien). Was hier als Bürokratie bezeichnet wird, wäre in diesem Fall schlicht und ergreifend ein städtebaulicher Prozess von der Stadt, der – nebenbei gesagt – bislang nicht einmal ein Mindesmaß an zivilgesellschaftlicher Beteiligung ermöglicht hat.
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Unternehmer wie Rene Benko, oder die Rainer-Gruppe verdienen sich an den steigenden Preisen für Wohnungen eine goldene Nase. Darüber hinaus sind sie mitverantworlich für eine Entwicklung, wonach Wohnraum zunehmend als Handelsware deklariert und als Wertanlage eingekauft wird, was dazu führt das die Städte – wie Wien – zwar zubetoniert werden, aber das Wohnen zunehmend unleistbar wird.
Covid19 Zuschüsse an Künstler_innen vom ksvf waren daran gebunden, dass man die eigene soziale Bedürftigkeit beweist. Warum haben reiche Unternehmer_innen keinen Groschen ihrer horrenden Vermögen aufwenden müssen, bevor der Staat die Löhne bezahlt, die Fixkosten bezahlt, die virtuellen Profite ausgleicht?
Es ist unglaublich, in welchem Umfang während der letzten beiden Jahre wieder einmal Geld vom Staat in die Taschen der Reichen und Reichsten in diesem Land geflossen ist. Ohne Gegenleistung, ohne gesellschaftspolitischen Auflagen, ohne die horrenden Privatvermögen auch nur zu diskutieren oder auch nur die Sinnhaftigkeit beispielsweise von zusätzlichen Büro oder Hotelbauten oder die Sinnhaftigkeit einer immer weiter beförderterten Autoindustrie zu hinterfragen. Das alles erinnert an die Milliardenhilfen für Banken und Autodindustrie im Jahr 2009. Diese Umverteilungen gefährden die Demokratie, weil die ärmsten Bevölkerungsteile kein Geld bekommen, die Drecksarbeit um kein Geld machen sollen und dafür auch noch kein Stimmrecht genießen und darüber hinaus nicht selten echtenDiskriminierungen ausgesetzt sind.
MATZ NOT MAZDA.