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Gudrunstraße 192

Die Gudrunstraße verläuft vom Matzleinsdorfer Platz quer durch Favoriten bis “Kreta” an der Südosttangente. Das Feuerwerksgeschäft war bis zum Abriss das letzte Gebäude auf der Gudrunstraße, direkt am Matzleinsdorfer Platz in der Böschung mit der Nummer 196b. Daneben steht der Grabsteinerzeuger und Steinmetz Werl auf 196a, das Möbehaus Maas befindet sich auf 196 und die Autowerkstatt von Gerhard Lehmann auf 194. 

Direkt daneben ist das rund 4.000 Quadratmeter große Grundstück im Eigentum der Rainer Tower Projektentwicklungs GmbH – wie versprochen werfe ich heute einen genaueren Blick auf das Grundstück, für das eigenartigerweise eine separate Widmung geplant ist. 

In Hinsicht auf die Widmung bleibt weiterhin alles unklar. Das Grundstück ist/war Teil des Städtebaulichen Planungsvorhabens “Matzleinsdorfer Platz Süd”, ist Teil der städtebaulichen Leitlinien und sollte – wie wiederholt betont wurde – auch Teil einer Flächenwidmung “Gebiet mit geförderten Wohnbau” sein. Jedoch war schon in den städtebaulichen Leitlinien unklar, in welchen Verhältnis das geplante Bauvorhaben durch den privaten Investor Rainer zum gesamten Planungsgebiet steht – der Mehrwert für die Bevölkerung bleibt unklar, der private Mehrwert ist klar und wird durch die U-Bahn und durch die bevorstehende Flächenwidmung befeuert. 

Die Info-Veranstaltung der Stadtplanung am 23. November 2022 in den Räumen der Gebietsbetreuung, wo die Rainer GmbH quasi exklusiv und offiziell ihr Bauvorhaben der Öffentlichkeit präsentieren konnte hat nichts zur Klärung beigetragen – es ist für mich unverständlich warum ein Gebäudeentwurf eines privaten Investors ohne der dazu notwendigen Flächenwidmung der Öffentlichkeit vorgelegt wird – völlig unklar bleibt auch weiterhin warum die Versorgung mit Frei- und Grünräumen (der oft strapazierte “Mehrwert für die Bevölkerung”) in der Umgebung ausschließlich auf den Grundstücken der ÖBB (Baufeld 1, wo lustigerweise die Schleifung einer weitläufigen Kleingartensiedlung bevor steht) und durch den öffentlichen Waldmüllerpark realisiert werden soll.  

“Das Planungsgrundstück befindet sich in Favoriten und ist derzeit als Parkplatz genutzt.” 

Schauen wir genauer auf das Grundstück, wo sich bis 1945 ein Zwangsarbeitslager für russische ZwangsarbeiterInnen befunden haben soll. Das Grundstück war bis 2006 im Eigentum der Stadt und wurde dann um 2 Millionen Euro an Kommerzialrat Burkhard Ernst (Geschäftsführer von Tribus-Beteiligungsgesellschaft) verkauft. Der Kaufpreis erscheint mit 500 Euro/m2 adäquat, wiewohl die Grundstückspreise derzeit in Favoriten bei 700 bis 1100 Euro pro Quadratmeter liegen. 

Die wahrscheinliche Wertsteigerung hat die Stadt Wien im Kaufvertrag sogar berücksichtigt, indem eine Klausel eingefügt wurde nach der der Käufer sich verpflichtet bei einem neu errichteten Gebäude mit mehr als 7.700 m2 Nettonutzfläche eine “Kaufpreisaufzahlung in der Höhe von Eur 260,-/m2” zu leisten. Allerdings hat die Stadt Wien im Kaufvertrag diese Mehrwert-Zahlung auf einen Zeitraum von lediglich 10 Jahren ab Kauf beschränkt.

Umgerechnet auf die aktuellen Bebbauungspläne wäre das für den Eigentümer ein Betrag von über 4 Millionen Euro, der an die Stadt Wien fließen würde. 

Zwei Jahre nach Kauf des Grundstücks erhielt die nähere Umgebung einen neuen Flächenwidmungs und Bebauungsplan. Gudrunstraße 192 hat seither eine Widmung als Gemischtes Baugebiet-Geschäftsviertel, mit einer Bauhöhe von 12 Metern und dem Verbot Wohnungen zu errichten. Ein weitere Zusatz in der Widmung lautet, dass alle “bebaubaren aber nicht bebauten Grundflächen, soweit sie nicht als Manipulations-, Lager- oder Zufahrtsflächen benötigt werden, gärtnerisch auszugestalten” seien. Man mag behaupten, der Parkplatz erfüllt diese Anforderung. 

Genau zehn Jahre nach Kauf des Grundstück verkauft der Eigentümer im Jahr 2016 das Grundstück weiter an die Rainer Tower Projektentwicklungs GmbH – Detail am Rande: beide Gesellschaften haben die selbe Anschriftsadresse. Der Kaufpreis beträgt dieses Mal 300.000.000 Millionen Yen (~2,44 Millionen Euro). 

Im Kaufvertrag festgelegt ist, dass sie neuen Eigentümer alle vergangenen “Projektstudien und Entwürfe”, die für das Grundstück gemacht worden sind übernehmen. Das heißt im Klartext, dass Herr Burkhard Ernst Senior schon die Jahre vor 2016 auf eine Umwidumung des Grundstücks hinwirkte und ein Hochhaus dort errichten wollte. 

“Die verkaufende Partei hat diverse Projektstudien und Entwürfe erstellen lassen, dies im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Änderung der Flächenwidmung, die die Errichtung eines hochhausartigen Gebäudes zulassen soll.”

Das städtebauliche Verfahren “Matzleinsdorfer Platz Süd” läuft seit dem Frühjahr 2017. Die erste Info- und Dialogveranstaltung der Stadtplanung fand im Frühjahr 2018 bezeichnenderweise in der Lobby des Hotel Rainer statt. Damals konnten die Besucher_innen ihre Wünsche auf bunte Zettel schreiben. Kein Wunsch wurde öfters geäußert als: “Keine Hochhäuser”. Bis vor wenigen Monaten befanden sich diese Wünsche sogar auf der Seite der Stadtplanung unter “Beteiliungsphase 1” veröffentlicht. Jetzt findet man die Wünsche dort nicht mehr. 

Was bleibt ist die allgemeine Unklarheit und die Frage, warum hier seit Jahren Hochhäuser und Gebäude geplant werden ohne eine Widmung zu haben? Noch dazu, wo die aktuelle Widmung erst 2008 erteilt wurde und dezidiert keinen Wohnungsbau und sicher kein Hochhaus vorsieht. 

Ich wollte von der Bezirksvertretung in Favoriten und von der Stadtteilplanung (MA21) wissen, wie sie zu dem geplanten Bauvorhaben stehen und welche Widmung hier befürwortet oder beabsichtigt ist. Bislang habe ich trotz mehrerer Emails keine Antworten erhalten. * ——> (Mittlerweile habe ich eine Antwort von der Stadtplanung MA21 erhalten: es seien derzeit aufgrund der ‘Komplexität des gesamten Entwicklungsbereichs’ nicht die notwendigen Grundlagen für ein Widmungsverfahren gegeben. Es sei derzeit keine Widmung vorgesehen. ) <–

Ich in gespannt, was kommt. Ich finds aber durchaus ärgerlich, dass zwanzig Jahre kulturelle und künstlerische Arbeit am Platz geschliffen und gering geschätzt wird aber ein Investor, der seinen Reichtum mit dem Verkauf von Autos gemacht hat gerade am Matzleinsdorferplatz durch den Bau der U-Bahn einen immensen Mehrwert davon tragen wird, weil Politiker und Beamte sich offenbar zu leicht um den Finger wickeln oder vor den Karren des Kapitals spannen lassen. Es wäre so leicht am Matzleinsdorfer Platz ein echtes politisches Statement, für eine soziale Stadt, für einen anderen Verkehr oder für leiwande Kunst zu setzen. 

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